6. Rundbrief des Generaloberen, Dezember 2008

Besuche bei den Mitbrüdern

            Vier Wochen lang (November und Dezember) haben P. Konrad Esser und ich verschiedene Mitbrüder der Südamerikanischen Provinz besucht. Wir waren in Haiti, Ecuador und Bahia (Nordosten von Brasilien). Diese drei Regionen haben viele Dinge gemeinsam. Fast das ganze Jahr über herrscht eine starke Hitze. Aber vielleicht ist die Armut des Volkes die markanteste Ähnlichkeit.
            Wir alle haben schon von Haiti, dem ärmsten Land des amerikanischen Kontinents, reden gehört. Das Herz tut weh, wenn die Augen die ganze Misere sehen, in welcher Tausende von Menschen in jenem Land wohnen. Was aber unsere Herzen mehr erfüllte, war der Stolz auf unsere Mitbrüder, die ihr Leben in den Dienst jenes leidenden Volkes stellen. Wir sind von dort voll Hoffnung über das, was wir gesehen haben, wieder weggefahren. Erst vor wenigen Jahren begann die jetzige Südamerikanische Provinz mit der Ordensausbildung von jungen Männern aus Haiti. Die heutige Zahl von 5 Scholastikern, 3 Novizen, 7 Postulanten und diversen anderen Kandidaten ist Anlass für Hoffnung und Danksagung. Neben der spezifischen Ordensausbildung in den einzelnen Ausbildungsphasen engagieren sich diese jungen Männer in der pastoralen Arbeit in Cité Soleil, dem ärmsten Stadtviertel von Port-au-Prince. Die Mitbrüder, die dort als Missionare wirken, benötigen wie auch die Auszubildenden von Haiti unsere Gebete. Ich bitte darum, dass sie in unseren Bitten an Gott eingeschlossen sein mögen.
            In einigen Gebieten wie in Ecuador und Bahia ist der Glaube des Volkes ansteckend. Es ist wirklich eine besondere Erfahrung, am so genannten „Rosenkranz der Morgenstunde“ während der Novene zu Ehren des Patrons in Manta (Ecuador) teilzunehmen, wo etwa 500 Menschen morgens von 5 bis 6 Uhr auf der Straße betend und singend marschieren. Die große Anzahl von Kindern und Jugendlichen, die lebhaft an den Feierlichkeiten teilnehmen, ist etwas „Fremdes“ in den Augen für jemand, der aus dem europäischen Kontext von Kirche kommt… Es ist bewegend, die Hingabe der Mitbrüder – angesichts der schlechten Straßenverhältnisse – im Dienst für die Menschen in den einzelnen Gemeinden von Bahia zu sehen; sie bieten diesem Volk mittels Sozialprojekten gute Alternativen.
            Klarerweise geschehen diese wunderbaren pastoralen Dinge nicht ohne ein großes Maß an Herausforderungen. P. Esser und ich sind jedenfalls Gott dankbar, dass wir Zeuge einer so großen Beteiligung des Volkes in den einzelnen Gemeinden mit viel Engagement und Lebendigkeit in den liturgischen Feiern sehen konnten. Wir sind dankbar für die Aufnahme und den Eifer der Mitbrüder im pastoralen Dienst für die ihnen anvertrauten Menschen. Unser guter Gott möge unsere Mitbrüder segnen und treu in ihrem Dienst behalten.

Feierlichkeiten anlässlich der neuen „Südafrikanischen Region“

            Nach einem langen und herausfordernden Prozess bilden die Regionen Keetmanshoop und Upington nun eine einzige Region: die Südafrikanische Region. Die Vereinigung wurde vor kurzem offiziell am 16. Dezember in feierlicher Weise in Matjieskloof vollzogen. P. Konrad Esser hat mich bei diesem wichtigen Ereignis vertreten. Bischof Risi (Diözese Upington) stand der schönen Vereinigungsfeier vor. P. Esser schreibt Folgendes über die Zeremonie: „In einer großen Prozession zogen wir in die Kirche ein. Voran zogen die „alten“ Regionaloberen mit brennenden Kerzen in Händen. Diese entzündeten am Eingangstor der Kirche die „Kerze der Vereinigung“; anschließend entzündeten wir alle unsere Kerzen an dieser Vereinigungskerze. So traten wir alle mit brennenden Kerzen in die Kirche ein. Die Mitbrüder wurden gefragt, ob sie „frei und ohne Widerstand“ zu dieser Feier gekommen seien und bereit wären, sich in einer einzigen Region zu vereinigen. P. Jan Mostert legte dann das Glaubensbekenntnis ab.“ Dieser schöne Bericht weist auf den Geist dieser Zeremonie hin.
            Die Leitung der neuen Region setzt sich folgendermaßen zusammen: Regionaloberer ist P. Jan Mostert; Regionalräte sind P. Johannes Charles Goliath, P. Albertus Jacobus Josseph, P. Reginald van Schalkwyk, P. Gavin Atkins, P. Joseph Ovis und P. Fransiskus Swarbooi. Diese beiden letztgenannten Mitbrüder, die die Regionaloberen in den beiden ehemaligen Regionen waren, sind als ex-officio Mitglieder in der neuen Leitung. Folglich wird der Regionalobere 6 Mitbrüder als Provinzialräte haben. 
            Vor dem offiziellen Tag der Vereinigung gab es ein außerordentliches Kapitel der Mitbrüder der beiden ehemaligen Regionen. Es wurde festgelegt, dass es 6 Regionalräte für die vierjährige Amtsperiode geben wird; das Rahmenthema für diese Amtszeit soll „Gemeinschaftsleben und Versöhnung“ sein. Es geht darum, die brüderlichen Bande zu stärken und alle Mitbrüder in einem Prozess kontinuierlicher Weiterbildung einzubeziehen.
            Als Hilfestellung im Vereinigungsprozess diente die Mediation von P. Brian Williams (Südafrika), der gemeinsam mit P. Koos Walters auf bewundernswerte Weise den Mitbrüdern hilfreich zur Seite stand. Von Herzen danke ich diesen wie allen Mitbrüdern, die in diesem Prozess mitgearbeitet haben und die sich offen für den Dialog und hörbereit für den Heiligen Geist gezeigt haben.
            In meinem Brief an die neue Region schrieb ich, dass die Mitbrüder ein vorgezogenes Weihnachtsfest feiern könnten. Es ist der Beginn einer neuen Etappe in der Geschichte unserer Präsenz auf afrikanischem Boden. Gott, der Mensch wurde und mit uns auf dem Weg ist, möge weiterhin die Mitbrüder der vereinten Region führen. Ich bitte um das Gebet von Euch allen, dass der Dienst unserer Mitbrüder in Afrika fruchtbar sei. Gott segne euch!

Aufnahme der Schweizer Mitbrüder in die Österreichisch-Süddeutsche Provinz

            Im August wurden in Fockenfeld die Mitbrüder der Schweizer Kommunität offiziell als Mitglieder in die Österreichisch-Süddeutsche Provinz aufgenommen. Die Schweizer Provinz entstammte der Österreichischen Provinz; nun ist das Kind zu seiner Mutter zurückgekehrt! P. Franz Aregger wohnt in der Gemeinschaft der Annakirche (Wien); die Patres Josef Huber und Johannes Föhn leben in Kriens.
            So wie ich es bereits in Fockenfeld getan habe, möchte ich nun P. Konrad Esser für seinen Dienst als Verbindungsmann zwischen Generalleitung und Schweizer Kommunität während vieler Jahre danken. Ich danke auch der Provinzleitung und allen Mitgliedern der Österreichisch-Süddeutschen Provinz für die so brüderliche Aufnahme der Schweizer Mitbrüder als Mitglieder der Provinz.
            Ein besonders starkes Charakteristikum unserer Schweizer Mitbrüder bestand immer in der finanziellen Unterstützung von Mitbrüdern in Ausbildung in den verschiedenen Teilen der Welt. Aus diesem Grund wurde beschlossen, dass künftig ein Teil der ökonomischen Güter der Schweiz dem Chablais-Fonds zufließen werden.
            Eine der letzten bedeutenden Hilfsmaßnahmen der Schweizer Mitbrüder dient der Errichtung des neuen Noviziatsgebäudes in Eluru (Indien). Diese Baumaßnahme wird gerade ausgeführt. Für diesen Geist brüderlicher Unterstützung seitens der Schweizer Mitbrüder wird die Kongregation ewig dankbar sein. 

Vereinigungsprozess von Österreichisch-Süddeutscher und Deutscher Provinz

            Der Fusionsprozess der beiden Provinzen deutscher Sprache befindet sich bereits in einer fortgeschrittenen Phase. Im August gab es in Fockenfeld eine Versammlung von 60 Mitbrüdern der beiden Provinzen. Die Gespräche verliefen in einem Geist tiefen wechselseitigen Respekts und gleichzeitig in einer freundlichen und offenen Weise. Alle nahmen an diesem Prozess Anteil. Die verschiedensten Themen wurden debattiert: Ausbildung, missionarischer Geist, unsere Sendung als Oblaten heute, Fragen der Ökologie, der Beitrag der Provinz für die ganze Kongregation, finanzielle Fragen, etc.
            In den Monaten Februar, März und zu Beginn des Monats April ist die kanonische Visitation der Mitbrüder in den beiden Provinzen vorgesehen. Am 1. Juli 2009 soll dann die Vereinigungsfeier dieser beiden Provinzen stattfinden.
            Lasst uns auch diese Mitbrüder in unseren Gebeten gegenwärtig halten. Der Vereinigungsprozess möge neues Licht für unsere Präsenz und Sendung als Oblaten in der so herausfordernden Wirklichkeit der Evangelisation in Europa heute geben.

Die Provinzen in den USA

            Wir befinden uns in der Tat in einer Zeit der Suche, wie wir unsere Kräfte bündeln und unsere Energien in dieselbe Richtung lenken können. Die Wilmington-Philadelphia und die Toledo-Detroit-Provinz sind ebenfalls in diesem Prozess begriffen. Vor einigen Monaten wurde ich darüber informiert, dass sich die beiden Provinzialoberen mit ihren jeweiligen Räten getroffen haben, um sich über den Weg jeder der beiden Provinzen auszutauschen und um in besonderer Weise über gemeinsame Projekte zu sprechen. Einige gemeinsame Projekte gibt es bereits: Noviziat, Missionsprokura, Begleitung von Führungspersönlichkeiten im salesianischen Geist u.a. Das Treffen fand in einem sehr positiven, brüderlichen und salesianischem Geist statt. Es wurde beschlossen, dass es einmal pro Jahr ein Treffen der Provinzialoberen mit ihren Räten geben soll.

400. Erscheinungsjahr der „Anleitung zum frommen Leben“ (Philothea)

            Vor 400 Jahren erschien die erste Ausgabe der „Anleitung zum frommen Leben“, jenes berühmten Werkes des hl. Franz von Sales, mit dem er den Laien eine konkrete Hilfe anbieten wollte, ihren Glauben inmitten der täglichen Beschäftigungen zu leben. Seit dem II. Vaticanum hat die Kirche die Bedeutung der Laien wieder neu hervorgehoben. Als Oblaten haben wir dieses kostbare Werk in Händen, dessen außerordentlicher Wert die Zeiten überdauert. Es stellt für uns wie für die Laien einen Schatz dar.
            Ich lade alle ein, mit Kreativität diese Möglichkeit zu ergreifen und die Laien zu unterstützen, insbesondere jene, die mit uns zusammenarbeiten. Diese brauchen – wie auch wir – eine beständige geistliche Nahrung. Lasst uns ihnen anbieten, was wir als Geschenk von Gott gratis empfangen haben.
            Beim Treffen der Höheren Oberen nächstes Jahr in Annecy werden wir zwei Tage diesem Werk widmen. Ich weiß, dass es bereits verschiedene Initiativen gibt, diesen Schatz in unserer Hand wieder neu zu entdecken (siehe z.B. die Internetseite www.philothea.de. Dies möge eine Einladung an uns alle sein, unsere Kreativität zu nützen, um den Laien diese salesianische Nahrung anzubieten.

Mein Terminkalender

            Ich befinde mich bis Ende Januar im Süden Brasiliens. Ich wurde gebeten, die Exerzitien der Mitbrüder hier zu leiten; diese Exerzitien finden im Januar in den Tagen vor dem Franz von Sales-Fest statt. In der ersten Februarwoche trifft sich die Generalleitung in Monaco. Anschließend findet in den Monaten Februar, März und anfangs April die Visitation in der Österreichisch-Süddeutschen und Deutschen Provinz statt. P. Konrad Esser wird mich dabei begleiten. Im März gibt es in Rom das Treffen der Kommission für salesianische Erziehung, die erste Schritte der Unterstützung für unsere Schulen hinsichtlich der Verbreitung des salesianischen Geistes setzen soll. Ende April und Anfang Mai werde ich gemeinsam mit P. Esser die Mitbrüder in Indien besuchen. Ich weiß, dass wir auf Eure wertvollen Gebete zählen können.

Frohe Weihnachten!

            Ich schließe diesen Brief am 19. Dezember ab. Die Feier der heiligen Weihnacht lässt sich schon erspüren. Aber was mir heute in den Sinn kommt, ist ein bedeutsames Ereignis im Leben unseres Gründers: seine Priesterweihe. An diesem Tag im Jahr 1840, als er seinen priesterlichen Dienst aufnahm, war es minus 27 Grad kalt. Wir wissen, dass diese starke Kälte nicht die größte Herausforderung in seinem priesterlichen Leben war. In diesem Jahr 2008, das P. Brisson gewidmet ist, haben wir damit begonnen, sein Leben und seine Lehre besser kennenzulernen. Die Novene war in dieser Hinsicht eine Hilfe. Als Priester kämpfte er darum, den Willen Gottes in den oftmals schwierigen Begegnungen mit der Guten Mutter herauszufinden; er spürte die Widerstände des Bischofs von Troyes, als er sich dafür einsetzte, dass die Kongregation unter die „Propagande Fidei“ komme; er machte die harte Erfahrung, anzusehen zu müssen, wie die Oblatinnen und die Oblaten aus Frankreich verstoßen wurden. In all diesen Ereignissen hat sich unser Gründer als stark erwiesen: stark in der Suche und Erfüllung des Willens Gottes, stark im Glauben, stark in der Beharrlichkeit, stark in der Treue. Und vor allem hat sich P. Louis Brisson als stark in der Liebe erweisen. Dies zeigte er auf deutliche Weise am 24. Januar 1908, wenige Tage vor seinem Heimgang zum Vater. Ohne fast sprechen zu können, schaffte er es – im Kreis seiner geliebten Töchter und Söhne – noch auszurufen: „Ich liebe Euch aus meinem ganzen Herzen!“ 
            Die Feier dieser Weihnachten möge in uns die Kräfte erneuern. Gott, der zu uns kommt und bei uns bleibt, möge uns in diesen Tagen von heute stark machen. Inmitten der ökonomischen Weltkrise, in einer Zeit der Christenverfolgungen in Indien, so vieler menschlicher Notsituationen, so vieler Herausforderungen im Bereich der Evangelisation, wollen wir uns der Schwachheit des göttlichen Kindes zuwenden. Und wir lassen uns von Ihm erneuern. Dieses Kind möge uns stark in der Liebe, in der Hoffung, in der Demut und in der Brüderlichkeit werden. Es möge in uns die Freude des empfangenen Geschenks erneuern, dass wir Oblaten des hl. Franz von Sales sind. Frohe Weihnachten!

 

P. Aldino José Kiesel osfs
Generaloberer