Es lebe Jesus!
21. Rundbrief des Generaloberen Oktober
- November
Lewis S. Fiorelli, OSFS 2003
Der
gegenwärtige Augenblick:
eine
Betrachtung
Wieder hat sich
der Herbst über die nördliche Hemisphäre gelegt und ein neuer Frühling ist in
die südliche eingezogen. Der Wechsel der Jahreszeiten macht uns immer neu den
Rhythmus des Lebens bewusst, mit seinem Auf und Ab, seinen Ebben und Fluten,
Anfängen und Enden. Veränderungen in der Natur finden auch im liturgischen Jahr
der Kirche ihr Gegenstück. Durch den Rhythmus, der sich von der Fastenzeit bis
Ostern, von Pfingsten zum Jahreskreis und von Advent bis Weihnachten erstreckt,
erinnern wir uns in Ehrfurcht und vergegenwärtigen wir im Sakrament das Leben,
den Tod und die Auferstehung unseres Herrn sowie die Gabe Seines Hl. Geistes an
die Kirche und an das tägliche Leben aller Christen im Lauf der Geschichte. Mit
jeder Wende im liturgischen Jahr wird unsere Hoffnung auf die endgültige Wiederkunft
des Herrn in freudiger Vorahnung erneuert. Wir sehen der Zeit entgegen, in der
Er zur Vollendung führen wird, was Er geschaffen, erlöst und durch seinen Hl.
Geist geheiligt hat.
Für Christen ist
der Rhythmus des Lebens niemals bloß eine Rückkehr zu dem, was schon einmal
war. Er ist vielmehr immer ein Weg nach vorne, in das Kommende und heimwärts.
Für uns ist das Leben ein Pilgerfahrt, eine Reise, von der sündigen aber
erlösten Vergangenheit in Gottes Zukunft und seine Verheißung von Vollendung und
Seligkeit. Obwohl ihr Ziel in der Zukunft liegt, verleiht die christliche
Hoffnung jedem gegenwärtigen Augenblick eine Tiefe, die göttlich und eine
Verheißung, die ewig ist. Jeder gegenwärtige Augenblick ist zugleich eine Feier
dessen, was geschehen ist, und eine freudige Vorahnung dessen, was sein wird.
Im jetzigen Moment widmen wir uns deshalb ganz dem Streben danach, was vor uns
liegt. Salesianisch gesagt, antworten wir im gegenwärtigen Augenblick gänzlich
auf Gottes direkten oder indirekten Willen, d.h. auf das Übel, das zu meiden
ist, das Gute, das zu tun ist, das Kreuz, das anzunehmen ist oder den Nächsten,
dem wir dienen sollen. Unsere Überzeugung ist unerschütterlich: wenn wir jeden
gegenwärtigen Augenblick gut leben, dann können wir mit Zuversicht die
Vergangenheit mit ihren Fehlern und Sünden der mitfühlenden Barmherzigkeit
eines vergebenden Gottes anvertrauen und die Zukunft, was immer sie bringen
mag, seiner vorsehenden Sorge um uns. Um jeden Augenblick gut zu leben,
brauchen wir in diesem nur gut zu lieben. Um das zu tun, müssen wir nur handeln
oder annehmen, was Gott von uns in jedem gegenwärtigen Augenblick will. Kurz
gesagt, um gut zu leben, müssen wir nur jetzt gerade gut lieben.
Gute Nachricht
über die Gute Mutter
Vor einigen
Monaten haben wir sehr gute neue Mitteilungen über den Seligsprechungsprozess
für die Gute Mutter erhalten. Der Hl. Stuhl hat seine Akten über die Gute
Mutter für die wissenschaftliche Arbeit zugänglich gemacht. Als Folge dieser
glücklichen Entwicklung wurde die Causa der Guten Mutter durch einen
einstimmigen Beschluss des Generalrates wieder aufgenommen. Der Archivist der
Kongregation, P. Roger Balducelli, wurde mit der wichtigen Aufgabe betraut, die
vatikanischen Dokumente erneut durchzuarbeiten mit dem zweifachen Ziel, die
Gründe für das "Reponatur" aus dem Jahr 1921 aufzudecken und sie zu
widerlegen. P. Emilio Testa wurde zum Postulator der Causa ernannt und wird
diese Arbeit angehen, so bald die Kirche den Prozess offiziell wieder aufnimmt.
Beide Oblaten haben diese Aufgaben mit großherziger Begeisterung übernommen.
Ich weiß, dass ihr alle mit mir darin einig seid, dass diese wichtigen Aufgaben
in sehr fähige Hände gelegt worden sind. Ich lade nun jeden von euch zum Gebet
um den Erfolg dieser Bemühungen ein. Jeder von uns anerkennt dankbar die
entscheidende Rolle, welche die Gute Mutter als die "Inspiration" zu
unserer Kongregation gespielt hat. Wir Oblaten stehen für immer in ihrer
Schuld!
Es ist
selbstverständlich, dass wir hier wie überall sonst der Führung der Kirche
folgen und sorgfältig darauf achten, nicht schon den nächsten Schritt zu
setzen, bevor der vorige getan wurde. Ich glaube, dass mit dieser Nachricht die
heurige Feier des Tages der Gründer von besonderer Freude gekennzeichnet ist.
Wir haben Grund zur Hoffnung, dass bald von unzähligen anderen Gläubigen
geteilt werden wird, was wir Oblaten immer von der Heiligkeit unserer Gründer
geglaubt haben.
Monaco
Ich freue mich,
bekannt geben zu können, dass mit Anfang Oktober P. Valdir Formentini aus der
Region Südamerika die Aufgabe des Pfarrers von St. Karl in Monte Carlo
übernommen hat. In dieser Position folgt er P. Cesare Penzo aus der
Italienischen Provinz nach.
Ursprünglich war
geplant, dass P. Formentini seine Aufgabe im Juli 2004 übernimmt. Aber mit dem
plötzlichen Tod von P. Jean-Claude Dietrich und dem kürzlichen Beginn der
Doktoratsstudien von P. John Sankarathil wurde die Sache dringend. Ich bin der
Region Südamerika für ihre Bereitschaft dankbar, P. Formentini für den Dienst
in St. Karl freizustellen und für das Opfer, ihn noch früher als geplant zur
Verfügung zu stellen. Ich weiß, dass Oblaten, die ohnehin schon viel zu tun
haben, jetzt zusätzliche Dienste übernehmen, um seine Pflichten als Pfarrer von
St. Isabel in Porto Alegre abzudecken. Nach dem Tod von P. Jean-Claude haben
Mitglieder der französischen Provinz P. Penzo großherzige Hilfe geleistet.
Diese Beispiele von brüderlicher Selbstlosigkeit sind wirklich bewundernswert.
Ich bin zutiefst dankbar dafür und insbesondere P. Valdir für seine
Bereitschaft, das vertraute Leben und die Arbeit seiner Heimatregion zu
verlassen, um das ganz andere Leben und den herausfordernden Dienst von St.
Karl zu übernehmen.
Ich bin mit dem
Regionaloberen einer anderen Region der Kongregation im Gespräch, der bereit
ist, ab Mai oder Juni einen jungen Oblatenpriester als Kaplan für St. Karl zu
entsenden. Die Pfarre von St. Karl war immer gesegnet mit talentierten und
großherzigen Oblaten. Mit diesen neuen Mitbrüdern setzt sich nun diese Tradition
fort!
Komitee für die
Missionen der Oblaten
im 21.
Jahrhundert: ein Update
Beim Treffen des
Generalrates, das im Juli in Overbach stattgefunden hat, haben wir uns mit dem
Generalmissionskoordinator und mit den Mitgliedern des "Komitees für die Missionen
der Oblaten im 21. Jahrhundert", dem er vorsteht, getroffen. Die
Mitglieder des Komitees hatten sich in der Woche davor getroffen und legten uns
nun das Ergebnis ihrer Arbeit zur Durchsicht und Stellungnahme vor: ein Papier
mit dem Titel "Gedanken zur Entwicklung eines umfassenden Plans für die
Missionen". Zum Zeitpunkt, an dem ihr diesen Rundbrief bekommt, wird es in
die verschiedenen Sprachen der Kongregation übersetzt und an jeden Oblaten zum
Lesen, zur Stellungnahme und für Ergänzungen verteilt sein. Es wird außerdem
beim Treffen der Höheren Oberen im Jahr 2004 diskutiert werden. Nachdem es im
Laufe eines weiteren Nachdenkprozesses überarbeitet, verbessert und vielleicht
weiter entwickelt sein wird, wird es schließlich seinen Weg als Vorschlag ins
Generalkapitel machen, wo es dann behandelt und beschlossen werden soll.
Das Papier
behandelt eine Reihe von wichtigen Aspekten von Mission. Es befasst sich z.B.
mit der vielschichtigen Bedeutung von "Mission" selbst wie auch mit
der Bedeutung von "Chablais Geist". Es stellt klar, dass Mission
nicht immer "auswärtig" ist. Es spricht von der Herausforderung,
verantwortlichen Leitungsdienst in den gegenwärtigen Missionen wahrzunehmen und
zugleich eine Festlegung für die weitere missionarische Expansion im neuen
Jahrhundert zu treffen. Es regt außerdem an, wie die jährlichen Einkünfte aus
dem Chablais Fonds verteilt werden können, wenn dieser einmal ausreichend
fundiert ist. Es empfiehlt einen Prozess in Anlehnung an den, der gegenwärtig
für die Entscheidung über die Unterstützungen von ICSS-Projekten angewendet
wird. Weiters regt es an, dass der Chablais Geist in den Jahren der Ausbildung
gefördert werden soll, u.zw. nicht nur in der Theorie sondern auch in der
Praxis. Es betont die Notwendigkeit von Sensibilität und Verständnis in allen
interkulturellen Begegnungen und hebt die Priorität hervor, die von Art. 12 der
Satzungen den Nöten der Armen und Unterdrückten in allen Aufgaben der Oblaten
einschließlich unserer Missionen verliehen wird. Abschließend betont es, dass
Berufungen weiterhin eine Hauptsorge in allen missionarischen Bemühungen
bleiben müssen.
Alle diese Punkte
werden in einem kompakten Papier mit nur wenigen Seiten behandelt. Ich hoffe
aufrichtig, dass ihm jeder von euch, wenn er es erhält, die ernsthafte und von
Gebet begleitete Aufmerksamkeit schenken wird, die es verdient.
Das Komitee für
den Chablais Fonds:
ein Update
Vor dem Treffen
des Generalrates hatten wir einen Vorschlag vom Komitee für den Chablais Fonds
erhalten. Dieser Vorschlag empfahl, die Position eines Direktors für den
Chablais Fonds zu schaffen (CMEF ["Chablais Mission Endowment Fund",
Anm. d. Übs.]), und beschrieb sowohl die Aufgaben dieses Amtes als auch die
Mittel, um diese Position zu finanzieren, u.zw. in einer für eine solche
Aufgabe allgemein akzeptierten Weise. In den darauf folgenden Tagen führten wir
eine ausführliche Diskussion über diesen Vorschlag und wurden dabei von der
hilfreichen Anwesenheit des Generalmissionskoordinators, des Generalökonoms und
von P. James W. O'Neill, des für die Aufgabe des Direktors vorgeschlagenen
Oblaten, unterstützt.
Am Ende unseres
Gedankenaustausches formulierten wir eine Antwort auf den Vorschlag, die erst
wirksam wird, nachdem die Angelegenheit vor das Treffen der Höheren Oberen im
Jahr 2004 zur weiteren Diskussion und Entscheidung gebracht worden ist.
Bis zu diesem
Treffen der Höheren Oberen wird das Amt eines Amtsführenden Direktors für den
Chablais Fonds errichtet, die Aufgabenbeschreibung in einer ersten Fassung
formuliert und die notwendigen Mittel für dieses Jahr aus den laufenden
Finanzen des Generalates bestritten. Unser kompetenter Mitbruder P. James W.
O'Neill wurde mit 1. September 2003 zum Amtsführenden Direktor für den Chablais
Fonds ernannt. Ich weiß, dass euer Gebet seine Arbeit begleiten wird.
Wie in der
Stellungnahme des Generalrates auf den Vorschlag angemerkt worden ist, schätzen
wir die Richtung sehr, die damit eingeschlagen worden ist, und den Geist, der
aus dem Vorschlag spricht. Wir hoffen, dass sich auf lange Sicht im sicheren
und stetigen Anwachsen des Chablais Fonds etwas ergeben wird, das der Vision
des Vorschlags sehr ähnlich ist. Mit der Zeit wird der Fonds es ermöglichen,
den laufenden Bedürfnissen unserer alten und neuen Missionen im neuen Jahrhundert
gerecht zu werden.
Es wird
vorausgesetzt, dass die zwei Komitees für die Missionen im Lauf der nächsten
Jahre eng zusammenarbeiten werden, um gut koordinierte Vorschläge zu
erarbeiten, die dann von den Mitgliedern des Generalkapitels 2006 diskutiert
und beschlossen werden. Die Entscheidungen dieses Kapitels werden umgekehrt die
Richtung für die Missionen der Oblaten, das Anwachsen und die Verwaltung des
Chablais Fonds in den sechs Jahren nach dem Kapitel und vielleicht für viele
Jahre darüber hinaus festlegen.
Neustrukturierung:
ein laufender
Nachdenkprozess
Beim Treffen des
Generalrates im Juli haben wir unsere Diskussion über die Neustrukturierung
fortgesetzt. In deren Verlauf haben wir einige Fragen an P. Séamus Finn OMI
vorbereitet, der beim Treffen, das im Januar in Cape May stattfindet, zu uns
kommen wird. P. Finn nahm am Prozess der Neustrukturierung teil, der von fünf
amerikanischen Provinzen der OMI unternommen wurde und in der Errichtung einer
einzigen amerikanischen Provinz der OMI resultierte. Wir hoffen, dass er auch
beim Treffen der Höheren Oberen im Juli bei uns sein wird. Wir suchen außerdem
nach jemandem mit einer ähnlichen Erfahrung aus einer europäischen Perspektive,
der auch daran teilnehmen kann.
Einige
Kongregationen hatten bereits Erfahrungen mit Neustrukturierung, und es gibt
zunehmend Literatur zu diesem Thema. Einiges von dieser Literatur haben wir bei
unserem Treffen im Juli erhalten. Jene Kongregationen und Provinzen, die
bereits die noch weithin unbefahrenen Meere der Neustrukturierung durchschifft
haben, haben offenbar eine Zahl von Faktoren gemeinsam. Zum Einen erkennen sie
alle, dass Neustrukturierung niemals um ihrer selbst willen unternommen wird.
Sie wird vielmehr immer um der Sendung der Kongregation und ihres Charismas
willen durchgeführt. Mit anderen Worten, das Ziel der Neustrukturierung ist es,
eine Struktur oder Strukturen zu schaffen, die besser imstande sind, die
Sendung der Kongregation unter neuen und oft herausfordernden Umständen
fortzuführen wie z.B. jenen, die wir gegenwärtig in vielen Teilen der
Kongregation erfahren: weniger und älter werdende Mitglieder, die dennoch mit
wachsenden internen und apostolischen Aufgaben konfrontiert sind. Sie erkennen
auch, dass der Prozess, der weithin ein Nachdenkprozess ist, sobald er
angefangen hat, an irgendeinem Punkt alle betroffenen Mitglieder einbeziehen
muss. Niemand wird bei diesem Prozess ausgelassen. Das bedeutet häufige
Zusammenkünfte für alle Betroffenen. Wenn es zur Neustrukturierung kommt,
schluckt nicht eine Provinz die anderen, sondern jede Provinz macht den Weg
frei für eine völlig neue Provinz, deren Leitung oft an einem neuen Ort und
unter einem neuen Namen platziert wird. Und wenn etwa aus einigen Provinzen
eine einzige neue Provinz wird, dann wirkt jemand aus der Leitung jeder der
früheren Provinzen in der Leitung der neuen Provinz mit.
Aber wie das
Sprichwort sagt, keine Kleidergröße passt überall. Es gibt daher keine
vorgefasste Idee davon, was das Endergebnis dieses Nachdenkprozesses sein soll.
Während sich der Prozess selbst entfaltet, macht uns der Herr zunehmend klar,
welcher konkrete Weg zum vorherrschenden Ziel führen wird: die Sendung besser
zu verwirklichen und das Charisma, das der Kongregation von der Kirche zum Heil
des Volkes Gottes übertragen ist, zu fördern. Gleich, wie gut der Prozess
unternommen wurde oder wie lange er gedauert hat, am Ende wird jede Provinz,
jede Region und jeder Mitbruder etwas für das gewünschte größere Wohl des
Ganzen zu opfern haben. In biblischer Sprache, jeder wird in einer Weise zu
sterben haben, um etwas völlig Neues zum Leben zu bringen.
Wir sind
allerdings ganz am Anfang eines wahrscheinlich ziemlich langen Prozesses. Ich
hoffe aber, dass wir in den Jahren bis zum Generalkapitel in der Lage sein
werden, dort einen Vorschlag zu unterbreiten, der meinem Nachfolger und seinem
Rat Richtung weisen und Autorität verleihen wird, wie mit der Neustrukturierung
in den künftigen Jahren umgegangen werden soll, wenn überhaupt von den
Kapitularen entschieden wird, dass das der beste Weg ist, den wir einschlagen
sollen.
Ich werde dieses
Thema sicher im nächsten Rundbrief auf der Grundlage dessen, was beim Treffen
des Generalrates Anfang Januar 2004 herauskommen wird, wieder aufgreifen. Weil
es ein Nachdenkprozess ist, rechnen wir dem Geist Gottes, der uns den Weg
weisen wird, den wir vor uns haben. Alle sollen um diesen Beistand beten.
Geistliche
Freundschaft
Das
Generalkapitel 2000 ermutigte die Kongregation, die Laienschaft "aktiv zu
einem engeren Zusammenschluss mit ihr einzuladen, sowohl hinsichtlich ihrer
Identität als auch ihrer Sendung". In der gesamten Oblatenwelt wurde diese
Ermutigung zu einer engeren Verbundenheit mit den Laien mit Begeisterung
aufgenommen, und sie wird in vielfacher Weise umgesetzt. Das ist nicht
überraschend. Die geistliche Kraft der Laienschaft ist tief in der
salesianischen Tradition verwurzelt, und eine wohltuende Zusammenarbeit mit
Laien war ein Kennzeichen des Dienstes der Oblaten seit seinen Anfängen.
Der hl. Franz von
Sales ist vielleicht der erste - er ist sicher einer der besten - Meister der
allgemeinen Berufung zur Heiligkeit, gleich in welchem Lebensstand oder mit
welchem natürlichen Temperament. Er ist außerdem überzeugt, dass die Mittel zur
Heiligkeit in den Sakramenten der Kirche, im Gebet und in einer festen
Tugendpraxis unmittelbar zur Verfügung stehen. Er lehrt viel über die Praxis
von Tugenden. Für ihn ist wirklich jeder Lebenstand einer Person, mit seinen
Pflichten und Verantwortlichkeiten, der bevorzugte Platz des göttlichen Willens
für diese Person und ebenso das Hauptfeld für die Wahl und die Praxis von
Tugenden.
Wir sind vertraut
mit der salesianischen Betonung der "kleinen Tugenden". Das sind die
Tugenden für unsere Beziehungen im täglichen Leben wie Nächstenliebe, Sanftmut,
Mitgefühl und Freundlichkeit. Weniger bekannt ist vielleicht die Rolle, die
Franz von Sales der Tugend der wahren oder geistlichen Freundschaft zuschreibt.
Die keusche, warme und gefühlvolle Freundschaft, die er mit der hl. Johanna
Franziska von Chantal pflegte, wird in den Annalen der christlichen
Spiritualität gepriesen. In Verbindung mit ihrer gemeinsamen Hingabe zu einer
bereitwilligen Befolgung des Doppelgebotes der Liebe half ihnen ihre spezielle
gegenseitige Freundschaft sehr, nicht nur ganzheitliche menschliche Personen
sondern auch große Heilige zu werden. Es ist wichtig zu erkennen, dass in der
salesianischen Tradition ihre Erfahrung von geistlicher Freundschaft die Norm
sein sollte und nicht die Ausnahme.[1]
In den Jahren,
die vor uns liegen, werden die Mitglieder der Kongregation wahrscheinlich
zunehmend eine immer engere Verbundenheit mit der Laienschaft erleben. Aus
diesem Grund wird der Platz und die Praxis der geistlichen Freundschaft sicher
unter uns mehr und mehr bedeutsam werden. Daher möchte ich in diesem Rundbrief
einige Reflexionen über die Tugend der geistlichen Freundschaft vorlegen.
Viele Leute haben
behauptet, dass das dritte Jahrtausend das Zeitalter des Hl. Geistes sein wird.
Andere haben gemeint, dass es die Zeit der Laienschaft sein wird. Ich glaube,
dass es in der Praxis der geistlichen Freundschaft beides zugleich sein wird.
Geistliche
Freundschaft
nach der
"Anleitung"
Die
"Anleitung zum frommen Leben" ist, wie wir wissen, ein grundlegender
Wegweiser für das Streben eines Laien nach Heiligkeit - u.zw. genau als Laie.
In den 41 Kapiteln des III. Teils dieses Meisterwerks behandelt Franz von Sales
mehrere Tugenden, die beim Streben nach dem frommen Leben besonders hilfreich
sind. Sechs dieser Kapitel befassen sich mit Freundschaft (17-22). Franz nennt
verschiedene "Arten von Freundschaft", einschließlich der von ihm als
unnütz, schlecht und frivol bezeichneten wie auch der "Liebeleien",
der 17. Jahrhundert-Version von höfischer Liebe. Aber der Hauptinhalt dieser
Kapitel - und auch unser Thema hier - sind die tiefen Gedanken über "wahre
Freundschaft".
Im 17. Kapitel
nennt Franz seinem Leser drei Merkmale jeder Freundschaft. Sie muss gegenseitig
sein. Die Freunde müssen sich ihrer Freundschaft füreinander bewusst sein. Und
es muss Kommunikation zwischen ihnen geben. Die Art der Kommunikation ist es,
von der die verschiedenen Typen von Freundschaft bestimmt werden. Wenn z.B. die
Kommunikation zwischen Freunden falsch und leer ist, dann wird es auch ihre
Freundschaft sein. Je besser und edler der Inhalt ihrer Kommunikation ist, umso
besser und edler wird die Freundschaft zwischen ihnen sein.
Das 19. Kapitel
trägt den Titel "Wahre Freundschaft". Er beginnt dieses Kapitel mit
dem Gedanken, dass wir als Christen jeden lieben sollen, sogar unsere Feinde.
Aber zu Freunden, insbesondere geistlichen Freunden, sollen wir nur jene
wählen, mit denen wir "tugendhafte Dinge" austauschen können. Je
größer oder edler diese gemeinsamen tugendhaften Dinge sind, desto vollkommener
wird unsere Freundschaft sein. In aufsteigender Ordnung spricht Franz von den
Arten der tugendhaften Dinge, die er im Sinn hat. Die Freundschaft zwischen
jenen, die Wissen oder Wahrheit austauschen, ist eine anerkennenswerte. Wenn
das Gemeinsame die Praxis von Tugenden wie Klugheit, Maßhalten, Tapferkeit und
Gerechtigkeit ist, dann ist die Freundschaft noch lobenswerter. Wenn sich die
Gemeinsamkeit auf Liebe, Frömmigkeit und christliche Vollkommenheit bezieht, o
Gott, "wie wertvoll wird dann eure Freundschaft sein!" Diese
Freundschaft ist großartig, weil ihre Quelle Gott ist und weil sie jenen, die
sie teilen, hilft, das Ziel des Lebens zu erreichen, das in der dauerhaften
Seligkeit mit Gott besteht. Franz betont, dass die Bande der Freundschaft, die
hier geschlossen werden, für immer dauern. "Wie schön ist es, auf Erden so
zu lieben, wie man im Himmel lieben wird, und zu lernen, einander auf dieser
Welt so herzlich verbunden zu sein, wie wir es in der anderen ewig sein
werden!" Nur diese Art von Freundschaft verdient es, "geistliche
Freundschaft" genannt zu werden. Durch ihre Übung teilen die Freunde
miteinander ihre Frömmigkeit und ihre geistlichen Empfindungen. Darin werden
sie zu einem Geist und teilen ihr Herz miteinander.
Reflektieren wir
im Folgenden etwas darüber, was Franz über das Wesen von geistlicher Freundschaft
in diesem Kapitel sagt. Er ist sich gänzlich mit Thomas von Aquin darin einig,
dass geistliche Freundschaft eine Tugend ist. Nach ihrer Definition stärkt eine
Tugend den Charakter der Gläubigen zu einer bereiteren und besseren Erfüllung
ihrer Pflichten als Christen, besonders hinsichtlich des Beispiels und der
Lehre Christi wie auch der kirchlichen Weisungen. Tugenden befähigen jene, die
sie üben, ihren Glauben leichter, bereitwilliger und konkreter in das zu
übersetzen, was Franz "Leben und Handeln" nennt. Das heißt, sie
helfen ihnen, das Doppelgebot der Liebe besser zu erfüllen.
Im gleichen
Kapitel erläutert Franz, was eine geistliche Freundschaft als christliche
Tugend mit sich bringt. Er sagt uns etwa, dass dadurch, dass Gott sowohl ihre
Quelle wie auch ihr Ziel ist, geistliche Freunde eine besondere Gnade Gottes
für uns sind. Sie machen den Weg unseres Lebens zu einer angenehmeren Erfahrung
und helfen uns, das Ziel des Lebens, die Glückseligkeit bei Gott, leichter zu
erreichen. Außerdem wird unsere Freundschaft mit ihnen für ewig dauern.
Der dauerhafte
Charakter der geistlichen Freundschaft hat viele Auswirkungen. Denken wir nur
daran, was das z.B. für Eheleute bedeutet, die auch geistliche Freunde sind.
Ihr schönes Band der Liebe endet mit dem Tod, wenn es auch durch das Sakrament
besiegelt worden ist: "bis der Tod uns scheidet". Das Band der
geistlichen Freundschaft dauert jedoch für immer! Diese Einsicht kann nur eine
Quelle froher Ermutigung für all jene Ehepaare sein, denen wir in unseren Werken
dienen. Etwas, worauf sie immer gehofft haben, einander für immer zu lieben,
ist möglich, wenn ihre tiefe Liebe zu ihrer "besseren Hälfte" (Brief
558) noch inniger durch die Gnade geistlicher Freundschaft vertieft wird. Und
was für verheiratete Leute gilt, stimmt ebenso für jene, die in ähnlicher Weise
durch das Geschenk geistlicher Freundschaft begnadet sind. Alle solchen
Freundschaften kommen von Gott, führen zu Gott, machen das Leben froh und
angenehm und dauern für immer.
Und was ist mit
dem "einen Geist" und dem "einen Herzen", die denen
versprochen sind, die mit geistlichen Freunden gesegnet sind? Es ist nichts
anderes als die Einheit, die Gemeinsamkeit von Herz und Leben, die von der
Menschheitsfamilie so sehr ersehnt wird und sich als so schwer fassbar erweist,
wenn sie mit anderen Mittel gesucht wird. Wir versuchen alles, um Frieden in
der Welt, in der Gesellschaft, in der Familie und im menschlichen Herzen zu
schaffen. Warum versuchen wir es nicht mit geistlicher Freundschaft? Warum
sollten wir damit nicht innerhalb der christlichen Gemeinschaft anfangen, deren
Mitglieder bereits einen gemeinsamen Glauben an Jesus und ein gemeinsames Ziel,
das Leben mit Gott, teilen? Ich meine, die Praxis geistlicher Freundschaft
zieht ökumenische Folgen nach sich. Sie überschreitet kirchliche Grenzen,
dogmatische Unterschiede und verschiedenartige liturgische und sakramentale
Ausdrucksformen, um das menschliche Herz zu berühren, das tägliche Leben
umzugestalten und jene, die sie miteinander teilen, in eine Einheit von Frieden
und Freude zu führen.
Franz bespricht
auch den Einwand eines großen Teils der klassischen Spiritualität gegen die
Bildung von "besonderen Partikularfreundschaften", speziell unter
Ordensleuten. Solche von Natur aus selektive Freundschaften behindern oft die
Einheit, die gemeinsame Vision und den Zweck des Ordenslebens. Franz gesteht
ein, dass in einem wohlgeordneten Kloster "Partikularfreundschaften"
nicht nur unnötig sondern möglicherweise auch schädlich sind. Aber in seiner "Anleitung"
schreibt er grundsätzlich für die Laien, deren Leben sich in einem Umfeld
vollzieht, das häufig gleichgültig und manchmal sogar feindselig ist, die aber
nach einem frommen Leben streben wollen. Manchmal sind ja sogar die eigenen
Familienmitglieder gegen eine solche Absicht. Für Menschen in dieser Situation
ist es nicht nur hilfreich, geistliche Freundschaften zu pflegen, sondern sogar
"notwendig, dass sie sich in heiliger Freundschaft
zusammenschließen."[2]
Warum betont er
die Notwendigkeit von geistlichen Freundschaften für die Laien, die nach
frommem Leben streben? Weil sie nicht den spirituellen Vorteil eines
"wohlgeordneten Klosters" genießen mit seinem täglichen Gebet, der
Eucharistiefeier und der Tugendpraxis. Solch eine Umgebung bereitet den
Mitgliedern einen gangbaren Weg, um zur Heiligkeit voranzuschreiten. Für die
Laien ist aber der Weg, den sie beschreiten müssen, häufig "steinig und
rutschig". Sie müssen sich deshalb "gegenseitig an der Hand nehmen,
um sicherer zu gehen". Für sie ist es notwendig, "sich in heiliger
Freundschaft zusammenzuschließen, um ihre Sehnsucht nach wahrer Tugend zu
verwirklichen", um sich gegenseitig zu ermutigen und zu führen, damit sie
Gutes vollbringen können.
Was Franz mit dem
"wohlgeordneten Kloster", von dem er schreibt, gemeint hat, bezieht
sich sicher auf die Erfahrung des erneuerten monastischen Lebens in seiner
Zeit. Es gilt auch für das Leben von aktiven, apostolischen Orden bis in das
20. Jahrhundert hinein. Allerdings begannen nach dem 2. Vatikanischen Konzil
viele der vertrauten geistlichen und gemeinschaftlichen Stützen, die es bis
dahin im Ordensleben gab, zu verschwinden. Mit der Zeit hat diese Entwicklung
viele aktive Ordensleute auf denselben "steinigen und rutschigen Weg"
geführt, der von den Laien beschritten werden muss. Kurz, was in der
"Anleitung" über die Notwendigkeit von geistlichen Freundschaften für
die Laienschaft gesagt wird, kann heute in gleicher Weise für viele aktive
Ordensleute gesagt werden. Letztlich sagt Franz von Sales Folgendes über die
selektive Natur von geistlicher Freundschaft, die möglicherweise für die
Einheit eines "wohlgeordneten Klosters" so schädlich ist:
"Vollkommenheit besteht nicht darin, keine Freundschaften zu haben,
sondern darin, nur solche zu pflegen, die gut und heilig sind." Uns allen
ist das Wort vertraut: "Deine Verwandten kannst du dir nicht aussuchen,
wohl aber deine Freunde." Franz gibt uns den Rat, bei der Auswahl der
Freunde weise zu handeln, weil von dieser Wahl sehr viel abhängt.
Wer die
Lehrmethode des hl. Franz von Sales kennt, weiß, dass er oft die Darlegung
eines geistlichen Themas mit einem Rat aus seiner langen pastoralen Erfahrung
fortsetzt, in dem er auf die Gefahren oder Fallen hinweist, die es zu vermeiden
gilt. Dieser Praxis folgt er auch hier. In den Kapiteln 20-22 weist er auf
verschiedene Wege hin, um zu testen, ob eine Freundschaft wirklich eine
geistliche ist oder nicht. Wenn die Sprache des Freundes wie
"herakleischer Honig" ist, d.h. wenn sie zu süß ist, dann ist es
wahrscheinlich eine falsche oder schlechte Freundschaft. Geistliche
Freundschaft führt nur eine "einfache, offene Sprache, sie kann nur die
Tugend und die Gnade Gottes als ihre Grundlage rühmen." Heilige
Freundschaft hat "nur einfache und klare Blicke, sie ist lauter und
aufrichtig in ihrem herzlichen Verhalten, sie sehnt sich nur nach dem Himmel
... klagt höchstens, dass Gott nicht geliebt wird: zuverlässige Kennzeichen der
Reinheit." Was Franz damit sagen will, ist klar: wenn das Ziel einer Liebe
in Sprache oder Verhalten mehr der Freund wird als Gott oder die Tugendpraxis,
dann muss eine Alarmglocke läuten. Franz gibt geistlichen Freunden auch den
Rat, dass sie sorgfältig darauf achten sollten, einander nur darin nachzuahmen,
was gut und tugendhaft ist. Er schreibt amüsiert, dass jeder von uns
"genügend eigene schlechte Neigungen hat, so dass wir uns nicht auch noch
mit denen unserer Freunde belasten sollten."
Mit dieser Lehre
und besonders mit seiner Lebenserfahrung hat Franz von Sales uns ein wertvolles
Vermächtnis über die große Bedeutung von geistlicher Freundschaft im
christlichen Leben hinterlassen. Wenn wir Oblaten uns mehr und mehr mit den
Laien zusammenschließen und sie zu einer immer tieferen Verbundenheit mit der
Kongregation in ihrer Sendung und ihrem Charisma einladen, wird uns dieses
geistige Erbe sehr helfen, dass unsere warmen und herzlichen Beziehungen, die
von Gott kommen, auch zu Gott führen. Und auf diesem Weg wird ihre Praxis das
Leben angenehmer machen, die Nächstenliebe beständiger und die tägliche
Erfüllung des Willens Gottes zuverlässiger. Aus allen diesen Gründen wird es
ein dauerhafter Segen für die Kirche sein, für die Welt und besonders für die
Freunde selbst!
Ein statistisches
Profil
der Kongregation
Beim
Jahrestreffen der Höheren Oberen, das normal jeden Juli stattfindet, wird eine
Aufstellung der statistischen Veränderungen in der Kongregation geliefert. Weil
letzten Juli kein solches Treffen stattgefunden hat, soll eine Kurzfassung
dieser Statistik hier angegeben werden. Die Vollversion, "Veränderungen in
der Statistik der Kongregation: 1. Juli 2002 bis 30. September 2003",
listet die Namen der Oblaten auf, die ihre Erste oder ihre Ewige Profess
abgelegt haben, die geweiht wurden oder die in dieser Zeit gestorben sind. Sie
nennt auch Zahlen über den gegenwärtigen Stand der Mitglieder entsprechend der
Zahl der Oblaten in jeder Provinz, angeführt nach den Kategorien: Bischöfe,
Priester, Diakone, Brüder, Scholastiker und Novizen. Diese Information wird monatlich
auf den neuesten Stand gebracht und kann im Internet unter der Adresse http://www.desalesoblates.org/osfs.htm
nachgesehen werden.
Mit Stand vom 30.
September 2003 gibt es 585 aktive Mitglieder in der Kongregation.
"Aktiv" meint alle Oblaten ohne jene, die exklaustriert oder aus
anderen Gründen von der Kongregation abwesend sind. Im letzten Jahr haben 11
Novizen ihre Erste Profess und 8 Oblaten die Ewigen Gelübde abgelegt, 3 Oblaten
wurden geweiht, und 17 Mitbrüder sind gestorben.
Mein Kalender
Während ich
diesen Rundbrief schreibe, habe ich bereits die kanonische Visitation der
Wilmington-Philadelphia Provinz begonnen. Diese wird bis Anfang Dezember
dauern. Von 11.-15. Januar 2004 wird sich der Generalrat in Cape May, New
Jersey, in den U.S.A. treffen Die kanonische Visitation der Region Südamerika,
gefolgt von ihrem Regionalkapitel, wird von 6.-25. Februar 2004 stattfinden. Im
März werden die Visitationen der Deutschen (15.-20.) und der Holländischen
Provinz (22.-25.) abgehalten werden. Das nächste Treffen der Höheren Oberen
wird in Fockenfeld von 25. Juli (Ankunft) bis 30. Juli Mittag sein, gefolgt von
einem Treffen des Generalrates am darauf folgenden Wochenende.
In
brüderlicher Verbundenheit
durch
unseren heiligen Patron
und
unsere heiligmäßigen Gründer,
Lewis S. Fiorelli, OSFS
Generaloberer
[1] Für eine gründliche und sehr lesenswerte Behandlung dieser geistlichen Freundschaft vgl. Wendy M. Wright, "Bond of Perfection: Jeanne de Chantal & François de Sales" (New York/Mahwah: Paulist Press, 1985).
[2] Über die Notwendigkeit von geistlicher Freundschaft nach dem
Gedankengut des hl. Franz
von Sales vgl. die Dissertation von Terence A. McGoldrick, "The Sweet and
Gentle Struggle: Francis de Sales on the Necessity of Spiritual Friendship"
(Lanham, New York, London: University Press of America, 1996).