Es lebe Jesus!
18. Rundbrief des Generaloberen Februar
Lewis S. Fiorelli, OSFS 2002
Terror und
Theodizee:
11.
September 2001
Als Vorbereitung auf
diesen Brief überfliege ich noch einmal einige frühere Ausgaben dieses
Rundbriefs, auch den letzten, der gerade vor den tragischen Ereignissen des 11.
September 2001 geschrieben worden ist. Wie sehr hat sich die Welt, in der wir
leben, als Folge dieses schrecklichen Terrortages verändert. Als menschliche
Wesen und Gläubige sind wir mehr oder weniger auf die gewöhnlichen Ereignisse
des Lebens vorbereitet, auch wenn diese das Leid, die persönliche Tragödie und
den Tod einschließen. Unser Glaube lehrt uns, solche Ereignisse als Etwas zu
betrachten, das vom Kreuz Christi berührt und erlöst worden ist. Wegen dieses
Kreuzes sind wir überzeugt, dass das letzte Wort für uns nie das Leid und der
Tod ist, sondern die Auferstehung und die Herrlichkeit.
Aber
sind wir jemals wirklich auf das Ausmaß und die Tragweite der Tragödie dieses
Tages vorbereitet worden? Ich weiß nicht, wie Viele von uns Oblaten so wie
viele andere Leute sich nach diesem Tag folgende Fragen gestellt haben:
"Wo war Gott an diesem Septembertag? Wie konnte ein guter und allmächtiger
Gott solch unaussprechliches Übel zulassen? Wie können wir als Gläubige ein
Wort des Trostes für jene finden, die unter solch gräßlichen Umständen den Tod
eines geliebten Menschen betrauern. Wie können wir die Herausforderungen
ansprechen, denen durch solche Ereignisse unsere Glaube an einen Gott der
Vorsehung ausgesetzt ist, der jeden Menschen kennt und liebt, und dem sogar
jeder Name kostbar ist?"
Ich habe keine
angemessene Antwort auf diese Frage der Theodizee, eine der schwierigsten
theologischen Probleme. Es ist die Frage, die angesichts jedes Übels, jedes
Krieges, jeder Naturkatastrophe und jedes Anlasses von sinnlosem Leiden
gestellt wird, seit es den Glauben an einen unendlich liebenden und
allmächtigen Gott gibt. Die meisten von uns Oblaten haben diese Frage sicher in
ihrer theologischen Ausbildung studiert. Wir lesen die Meinungen von Heiligen,
Kirchenlehrern und bekannten Theologen. Ich erinnere mich an eine solche
Erklärung. Sie lautete ungefähr so: Wenn du auf die Rückseite eines
Wandteppichs schaust, dann siehst du verknüpfte und verschlungene Drähte, die in
einer chaotischen und unansehnlichen Weise durcheinander laufen. Das Bild ist
nicht wirklich schön. Die Vorderseite des Teppichs zeigt im Gegenteil eine
liebliche Darstellung von Wiesen und waldigen Hügeln, die meisterhaft und schön
ausgearbeitet ist. Angesichts des Übels schauen wir auf die Rückseite des
Teppichs. Aber wir wissen, dass es eine andere und sehr unterschiedliche Seite
gibt. Als jungen Theologen wurde uns auch gesagt, dass die Kirche vor langer
Zeit jeglichen Dualismus entschieden zurückgewiesen hat, der besagen würde,
dass Gut und Böse zwei gleiche Mächte wären und auf derselben ontologischen
Ebene liegen würden. Wegen des Sieges der Auferstehung über Sünde, Leiden und
Tod ist das Böse nicht dem Guten gleichzusetzen. Im Gegenteil, es wurde schwer
geschlagen und an seinen Wurzeln zerstört. Sicher mag es Zeiten in der
Geschichte geben, die das Böse dem Guten gleich erscheinen lassen oder sogar
als diesem überlegen. Aber dieser Eindruck ist eine Illusion. Am Ende der
Geschichte wird für Alle klar sein, dass allein das Gute triumphiert. Bis dahin
vermag nur der Glaube daran festzuhalten.
Keine
Antwort auf die Frage der Theodizee ist ganz zufrieden stellend, besonders
angesichts eines so schlimmen Ereignisses. Wie viel Trost kann eine Erklärung
weinenden Eltern bringen, deren Kind in tragischer Weise vom Auto eines
Betrunkenen erfasst und getötet wurde? Wie kann das Beispiel vom Wandteppich
einen Ehemann trösten, dessen junge Frau an Brustkrebs verstorben ist und ihn
mit seinen kleinen Kindern allein zurück lässt? Welche Notwendigkeit bestünde
außerdem für solche Bücher wie die zeitgenössische und immer noch populäre
Behandlung dieser Frage in "Wenn guten Leuten Böses geschieht" von
Rabbi Harold Kushner, wenn es eine befriedigende Antwort auf die Frage der
Theodizee gäbe?
Monate
vergehen, Wunden heilen, und das Leben geht weiter. Auf viele Weise kehrt das
Leben sogar zur Normalität zurück, wenn auch "normal" niemals mehr
das sein wird, was es vor dem 11. September 2001 gewesen ist. Aber wir sollten
darüber in keinen Irrtum fallen. Im Innersten stellen die Menschen immer noch
die Frage der Theodizee, und sie werden in ihrem Glauben und bei jenen, die in
dessen Namen predigen, nach Antworten suchen, die ihnen ein kleines Maß an
Trost bringen.
Es überrascht
nicht, dass sich auch unser Patron mit der Theodizee-Frage herumgeschlagen hat,
und er musste das auch. Er schrieb ein großes Werk über die Gottesliebe. Die
Frage der Theodizee belastet die Annahme eines liebenden Gottes unmittelbar und
fordert sie heraus. Franz behandelt das Thema der Theodizee kurz in Buch IV,
Kap. 8 seiner Abhandlung. Die
Auffassungen, die dort zum Ausdruck kommen, sind auf manche Weise durch die
Perspektive seines frühen 17. Jahrhunderts eingeschränkt. Dennoch sind sie
weithin, sogar noch heute, sehr einleuchtend.
Er
gesteht bereitwillig ein, dass manche Geheimnisse unergründlich sind und unsere
Fähigkeit, sie ganz zu verstehen, übersteigen. Das gilt besonders für Schrecken
erregende Akte des Bösen, die durch den Gebrauch menschlicher Freiheit
entstehen, die tragisch pervertiert worden ist, und oft durch die
zerstörerische Gewalt der Natur selbst. Für Franz können wir erst in der
Herrlichkeit Gottes verstehen, was das Alles bedeutet und wie das Alles
überhaupt sein kann. Bis dahin müssen wir Gläubige, wenn uns in unserer
Geschichte so tiefes Übel begegnet, dass wir es nicht verstehen können,
"im Frieden auf dem Weg der heiligen Liebe voranschreiten" und auf
Den vertrauen, dessen einziger und geliebter Sohn nicht vom Erleiden eines schmählichen
und schmerzvollen Todes verschont geblieben ist. Der Glaube sagt uns, dass
Jesus von Gott durch den Tod zur Auferstehung geführt worden ist und sich
dadurch eine Überfülle der erlösenden Gnade aus seinem durchbohrten Herzen auf
eine gefallene und gebrochene Welt ergießt und sie auf diese Weise heilt. Als
Gläubige müssen wir diesem Paradigma vertrauen, auch wenn die Trauer manchmal
zu tief ist, um sie aussprechen zu können.
Vielleicht
besteht der beste Trost, den wir den Leidenden schenken können, überhaupt nicht
in Worten, wie gut formuliert sie auch wären, sondern in den helfenden Händen
jener, die für sie sorgen, und in den liebenden Händen, die ihre Trauer mit
ihnen teilen. Mit dieser Liebe wird der Glaube an einen guten und sorgenden
Gott stark genug, um sich daran festhalten, wenn auch nur an der Spitze unseres
Geistes, und die Hoffnung auf den letzten Sieg des Guten über das Böse kann
auch inmitten von Prüfungen, Leiden, Schmerz und Tod, gleich in welchem Ausmaß
und in welcher Tragweite, bestehen bleiben.
Was
weder Logik noch ausgeklügelte Theologie beantworten können, kann die Liebe,
die leidende Liebe, die sich am Kreuz Christi offenbart.
Hl. Léonie Aviat,
Mutter
Franziska Salesia
In
meinem letzten Rundbrief lag die Heiligsprechung unserer neuesten
salesianischen Heiligen noch vor uns. Nun ist sie Wirklichkeit geworden. Ich
habe mich sehr gefreut, so viele Oblatenmitbrüder bei der Heiligsprechung zu
sehen, bei der Papstaudienz am nächsten Tag und bei den Feiern in Rom, Perugia
und Troyes während der folgenden Woche. Eure Anwesenheit war, das kann ich euch
mit Sicherheit sagen, ein Anlass zu großer Freude für unsere Schwestern
Oblatinnen.
Jeder von uns
hat unzählige glückliche Erinnerungen an diese große Woche. Ich habe mich
besonders gefreut, die junge Frau zu treffen, Bernadette McKenzie Kutufaris,
deren wunderbare Heilung den letzten Schritt in dem langen Prozess bildete, der
zur Heiligsprechung geführt hat. Ich sehe sie immer noch vor mir in ihrem
Brautkleid, Hand in Hand mit ihrem Bräutigam, als sie mit einem strahlenden
Lächeln Alle begrüßte, die sich zur päpstlichen Audienz eingefunden hatten. Bei
dieser Audienz hat eine Band von Buben und Mädchen aus der Schweiz, die eine
Schule der Oblatinnen besuchen, laut und begeistert zur Freude aller Anwesenden
musiziert. Und wer könnte den schönen und ergreifenden liturgischen Tanz
vergessen, der von Schwestern Oblatinnen aus Namibia und Südafrika aufgeführt
wurde, während sie auf dem langen Gang der Kathedrale von Perugia die Gaben
getragen und dann auf den Altar gelegt haben? Sie haben zu den Trommelschlägen
eines jungen Oblatenpriesters aus Südafrika getanzt, der sie durch den Gang
begleitete und dabei selbst freudig tanzte. Dieser Augenblick fing für mich die
besondere Freundschaft ein, durch die unsere beiden Kongregationen, die
denselben Gründer haben, für immer verbunden sind. Dann gab es die 600 schönen
langstieligen Rosen, die unsere Mitbrüder aus den Niederlanden geschickt
hatten, um die Kathedrale und das Mutterhaus in Troyes zu zieren. Diese von
Herzen kommende Geste berührte die Herzen von Allen.
Als
formelles Geschenk unserer Kongregation an die Schwestern Oblatinnen zu diesem
festlichen Anlass wurde von P. Tom Ribits, OSFS, ein schönes und naturgetreues
Porträt der Heiligen gemalt. Es wird folgende Inschrift in Französisch tragen:
"Dieses Porträt von 'Mutter Aviat' wird den Oblatinnen des hl. Franz von
Sales in Freundschaft und Hochschätzung von ihren ergebenen Brüdern innerhalb
der salesianischen Familie, den Oblaten des hl. Franz von Sales, zum festlichen
Anlass der Heiligsprechung von St. Léonie Franziska de Sales Aviat am 25.
November 2001 überreicht." Innerhalb des Heiligenscheins, der ihr Haupt
umgibt, stehen zwei Worte, die ihr Leben und ihre Heiligkeit auf deutliche Weise
beschreiben: "Mich selbst ganz zu vergessen" und "Lasst uns für
das Glück von anderen wirken."
Missionen
der Oblaten
Wie im letzten Rundbrief erwähnt wurde, werden die
Missionsprokuratoren der Kongregation zum Treffen der Höheren Oberen in diesem
Juli eingeladen. Als Vorbereitung auf dieses Treffen habe ich ein Papier
verfasst, das den Titel trägt: "Überlegungen zu den Missionen
der Oblaten: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft". Derzeit wird es in die
verschiedenen Sprachen der Kongregation übersetzt und nach dem Treffen wird es
durch die Höheren Oberen an die Mitglieder der Kongregation verteilt werden.
Der Generalmissionskoordinator, P. Josef Költringer, traf sich mit
mir und den Mitgliedern des Generalrates bei unserem Treffen im Januar, das in Eersterust,
Südafrika, stattfand. Wir haben Planungen für das gemeinsame Treffen der
Höheren Oberen mit den Missionsprokuratoren gemacht, haben seinen Zeitplan für
Besuche in den Missionen während der kommenden Monate durchgesehen und
Entwicklungen auf den Philippinen und in der Ukraine diskutiert.
Der Generalrat hat sich mir einstimmig bei folgendem Vorschlag
hinsichtlich der Philippinen angeschlossen: "Auf der
Grundlage des Berichtes von P. Josef Költringer im Anschluss an seine
Sabbatzeit auf den Philippinen ersuchen der Generalobere und sein Rat, dass der
Delegierte Obere für die Oblaten in Asien (Pater Sebastian Leitner) und der
Generalmissionskoordinator (P. Josef Költringer) einen Vorschlag für eine
Gründung auf den Philippinen durch die Mission in Indien erstellen.
Der Vorschlag wird dem Generaloberen und
seinem Rat bis spätestens Januar 2004 unterbreitet. Der Vorschlag wird
zumindest die folgenden Elemente umfassen: finanzielle und personelle Mittel,
Begründung, konkrete Schritte und einen Zeitplan.
Es ist klar, dass keine andere Provinz oder
Region (außer Indien) ersucht werden wird, die neue Gründung finanziell zu
unterstützen oder personell auszustatten."
Ich freue mich darauf, beim nächsten Treffen der Höheren Oberen
die Missionsprokuratoren willkommen heißen zu dürfen. Die Kongregation schuldet
ihnen und jenen, die mit ihnen zusammenarbeiten, ein ungemeines Maß an
Dankbarkeit für ihre unermüdlichen Bemühungen zu Gunsten unserer Missionen. Ich
weiß, dass sie eine große Hilfe für unseren Generalmissionskoordinator
darstellen und ihn auf jede mögliche Weise unterstützen werden.
Nachdem P. Jan Mostert mit Wirksamkeit vom 10. Januar 2002 zum
Regionaloberen der Region Keimoes-Upington ernannt worden ist, wurde P. Konrad
Eßer aus der Deutschen Provinz gemäß den Vorschriften von Art. 276 unserer
Satzungen zu seinem Nachfolger ernannt. Ich danke P. Mostert für seinen Dienst
im Generalrat und wünsche ihm jeden Erfolg in seiner neuen Verantwortung. Mit
seinen Leitungsfähigkeiten und seiner salesianischen Expertise verspricht P.
Konrad Eßer ein großartiger Gewinn für den Generalrat zu werden. Er wird
weiterhin als Bindeglied zwischen dem Generalrat und den Mitgliedern der
Schweizer Oblaten-Kommunität fungieren.
Aus Anlass der 400-Jahr-Feier zu Ehren der Bischofsweihe des hl.
Franz von Sales (8. Dezember 2002) und des 125-Jahr-Jubiläums seiner Ernennung
zum Kirchenlehrer (19. Juli 1877) und zum Doktor der Gottesliebe (16. November
1877) bereitet das Internationale Komitee für Salesianische Studien eine
Publikation mit dem Titel "Leitung in der salesianischen Tradition"
vor. Auf der Basis meiner Arbeit aus dem Jahr 1997, "Leiten heißt Dienen:
Leitungsdienst bei den Oblaten", wurde diese Broschüre für ein breiteres Publikum
adaptiert und wird an die Bischöfe jener Diözesen geschickt werden, in denen
wir wirken, an die Bischöfe der Missionare des hl. Franz von Sales, an die
salesianischen Bischöfe, ebenso wie an die Schwestern Oblatinnen und an die
Klöster der Heimsuchung. Die Broschüre wird eine Übersetzung der beiden
Dekrete, die unseren Patron zum Kirchenlehrer und zum Doktor der Gottesliebe
ernennen, die P. Daniel Gambet OSFS aus dem Lateinischen erstellt hat,
enthalten. Ihre Präsentation wird durch die Vorführung von Bildern umrahmt
werden, die von P. Robert McGilvray OSFS gemacht wurden und die auch einige
künstlerische Darstellungen der Bischofsweihe des hl. Franz von Sales zeigen.
Der Vorsitzende der ICSS, P. Alexander Pocetto OSFS, hat ein Vorwort zu diesem
Werk verfasst, und das gesamte Dokument wird in die verschiedenen Sprachen der
Kongregation übersetzt. Es wird in einigen Wochen verfügbar sein. Im Namen der
Kongregation ergreife ich diese Gelegenheit, um allen zu danken, deren Energie
und Talente in die Vorbereitung dieser Broschüre zu Ehren unseres Patrons
eingegangen sind. Möge sie seine Lehre und seinen Geist in den Herzen und im
Leben aller, die sie lesen werden, fördern!
Sehr innig verknüpft mit der Ausbreitung unseres Charismas war die
amerikanische Version der Journées Salésiennes von P. Henri L'Honoré, in den
USA bekannt unter dem Namen "Salesianische Konferenz". Ihr Gründer,
P. Joseph F. Power, ist am 23. Januar 2002 an den Folgen eines tragischen
Autounfalls, der sich zwei Wochen vorher ereignete, verstorben. Die
Kongregation erinnert sich in Dankbarkeit an diese beiden verstorbenen
Mitbrüder. Erfreulicherweise werden die Journées Salésiennes in Frankreich
unter einem neuen Namen und Format fortgeführt, und es gibt auch schon Pläne
für die Fortsetzung der Salesianischen Konferenz. Beide Projekte stellen ein
bleibendes Erbe für die Vision ihrer Gründer dar!
Während ich diese Ausgabe des Rundbriefes schreibe, bereitet Mr.
Robert Carlston den Versand des neuen Personalverzeichnisses und Nekrologiums
an alle Höheren Oberen der Kongregation vor, die dann an jeden von euch
weitergeben sollen. Diese neue Ausgabe wird jedes Monat auf den neuesten Stand
gebracht werden und ist auch im Internet unter www.desalesoblates.org/osfs.htm
verfügbar. Diese Internet-Ausgabe unseres Personalverzeichnisses und
Direktoriums ist ein gemeinsames Projekt von Mr. Carlston und Johann
Angleitner. Mr. Carlston kümmert sich um die Genauigkeit und die Aktualität der
Daten. Deshalb sollten alle Veränderungen über seine E-Mail-Adresse an ihn
mitgeteilt werden, so bald diese eintreten (bobcarlston@va.prestige.net oder
bobcarlston@adelphia.net). Johann Angleitner betreut die Website, die alle
Daten in einer Vielzahl von bedienerfreundlichen Formaten enthält. Wir sind
diesen beiden guten Männern zu Dank verpflichtet, dass sie ihre Zeit, ihre
Talente und ihre Expertise so großzügig für die Kongregation aufbringen.
Im 17. Rundbrief habe ich über einige ermutigende Entwicklungen
hinsichtlich des Oblatenpersonals in St. Karl berichtet. Leider haben sich
diese nicht in der erhofften Weise verwirklicht. Während ich diesen Brief
schreibe, befinden sich der Generalrat und ich in einem Prozess des Nachdenkens
über die nächsten Schritte. Eure Gebete werden uns in diesem Nachdenkprozess
sehr helfen.
In den Rundbriefen 16 und 17 begann ich eine Reflexion über die
geistliche Begleitung von einer salesianischen Perspektive aus. Ich möchte
diese Reflexion mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Entscheidungsfindung
["discernment", Anm. d. Übs.] hier fortsetzen.
Für Franz von Sales ist es für die Gottesliebe wesentlich, auf den
Willen Gottes, so wie er ausdrücklich erklärt ist oder wie er zugelassen wird,
einzugehen. Das ist die Erfüllung der Vaterunserbitte, dass Gottes Wille auf
Erden wie auch im Himmel geschehe, oder wie die Gute Mutter gerne sagte,
"auf der Erde meines eigenen täglichen Lebens."
Um auf Gottes Willen einzugehen, müssen wir ihn zuerst überhaupt hören.
Der jüdisch-christliche Glaube lehrt, dass Gott seinen Willen in der Schrift
und in Jesus kundgetan hat. Unter der Führung des Hl. Geistes verkündet die
Kirche diesen Willen gläubig durch Gebote, Räte und Weisungen. Unsere
salesianische Tradition lehrt uns auch, den Willen Gottes in den Pflichten und
in der Verantwortung unseres Berufs- und Lebensstandes zu erkennen und
anzunehmen. In allen diesen Bereichen ist Gottes Wille äußerst klar. Alles das
ist für uns notwendig, um ihn in "Leben und Tat" auszuführen (Abhandlung VII, Kap. 7 u. 8).
Aber wie steht es um die Dinge, die nicht ausdrücklich durch
Gebote, Räte, Weisungen oder Standespflichten erklärt sind? Franz nennt selbst
einige solche: "die Wahl des Berufes, Pläne für bestimmte Ereignisse von
großer Wichtigkeit, eine lange andauernde Arbeit oder eine sehr große
Geldausgabe, Ortswechsel, Wahl von Gefährten" und so weiter (Abhandlung VIII, Kap. 14). Wie sollen
wir wissen, was Gott von uns in diesen und unzähligen ähnlichen Angelegenheiten
will? Wir müssen eine Entscheidungsfindung beginnen.
Franz spricht vom Prozess der Entscheidungsfindung an
verschiedenen Stellen. Er tut das auf formale Weise in der Abhandlung (VIII, Kap. 10-14) und mehr gesprächsweise in seinem
bekannten Brief zu diesem Thema vom 14. Oktober 1604 an die hl. Franziska von
Chantal. Weniger bekannt ist seine undatierte und, so weit wir sie heute haben,
unvollständige "Kurzabhandlung über christliche Vollkommenheit" (OEA
XXVI, 185-187). Schließlich gibt es seine Gedanken zur Entscheidungsfindung aus
dem Jahr 1604 (OEA XXIII, 299-302) unter dem Titel "Wie man die Werke des
Geistes Gottes von jenen des Bösen unterscheiden kann".
Franz beginnt seine Gedanken zur Entscheidungsfindung mit einer
Warnung vor Skrupulosität und setzt mit einer Diskussion über die drei
Kennzeichen einer guten Eingebung fort. Er schließt dann mit einer Diskussion
der einzelnen Schritte im aktuellen Prozess der Entscheidungsfindung.
Wenn man die Aufmerksamkeit sieht, die Franz von Sales ihr hier
schenkt, dann muss er häufig mit skrupulösen Menschen zu tun gehabt haben. Mit
seinem leidenschaftlichen Herzen war es das Letzte, das er tun wollte, ihre
geistliche Angst zu vermehren. Aus diesem Grund beginnt er seine Gedanken zur
Entscheidungsfindung mit einer starken Warnung gegen die "lästige
Versuchung", Gottes Willen in jedem winzigen Detail des täglichen Lebens
erkennen zu wollen wie etwa, ob man mit einem Freund essen gehen soll oder
nicht, ob man grau oder schwarz tragen soll, ob man am Freitag oder Samstag
fasten soll, ob man Kranke besuchen oder in die Kirche gehen soll und so fort.
Den Willen Gottes in diesen und ähnlichen Angelegenheiten erkennen zu wollen,
ist "eine große Zeitverschwendung", die uns leicht aus der Fassung
bringen und zu Skrupulosität und Aberglauben führen kann. Für die unzähligen
täglichen Wahl- und Entscheidungssituationen des Lebens gibt er uns den Rat,
"ganz frei zu tun, was uns gut vorkommt" und "in gutem Glauben
voranzuschreiten, ohne uns in solchen Angelegenheiten in spitzfindige
Unterscheidungen zu verwickeln" (Abhandlung
VIII, Kap. 14). Schließlich haben wir einen großherzigen Gott, der wünscht und
erwartet, dass wir uns einer geistlich gesunden "Freiheit des
Geistes" erfreuen, in der gute Ausgeglichenheit, Verhältnismäßigkeit und
Hausverstand unsere Leitlinien sind und nicht eine unfrei machende und lähmende
Skrupulosität.
Nach dieser Feststellung fährt Franz mit einer Betrachtung der
drei Kennzeichen einer guten Eingebung fort.
Buch VIII der Abhandlung
behandelt unsere liebende Einheit mit Gottes Willen dadurch, dass wir seine
Gebote, Räte und Eingebungen annehmen. Die Hl. Schrift macht uns die Gebote und
Räte Gottes bekannt, während die Eingebungen auf vielfache Weise an uns
herantreten, vor allem aber durch zwei grundlegende Quellen, den Hl. Geist und
den Geist des Bösen. Offensichtlich ist es entscheidend zu wissen, welcher
Geist hinter unserer Eingebung steht. Daher besteht die Notwendigkeit zur
Entscheidungsfindung. In Kapitel 10 des Buches VIII erklärt Franz die
verschiedenen Wege, auf denen heilige Eingebungen zu uns kommen, deren
wichtigste die Predigt ist. Und wenn wir uns seiner Gnade nicht widersetzen,
wird Gott jedem von uns die "Eingebungen schenken, die wir brauchen um zu
leben, zu arbeiten und im geistlichen Leben ausdauernd zu sein".
In den Kapiteln 11-13 des Buches VIII behandelt Franz die drei
Kennzeichen von guten Eingebungen, welche den geistlichen Kontext für die
konkreten Schritte der Entscheidungsfindung bilden. Wir können das erste
Kennzeichen einer guten Eingebung mit einem bekannten salesianischen Grundsatz
zum Ausdruck bringen: "Blühe, wo du gepflanzt bist!" Wenn es nicht
überzeugende Hinweise auf das Gegenteil gibt, dann sind unser Lebensstand
zusammen mit seinen Pflichten und seiner Verantwortung der Ort, wohin Gott uns
gepflanzt hat und wo wir deshalb bleiben und blühen sollen. Auf diesem
Hintergrund ist jede "Eingebung, die uns bedrängt, etwas wahrhaft Gutes
aufzugeben, das wir schon haben, um ein zukünftiges höheres Gut zu
erlangen", als verdächtig anzusehen (Abhandlung,
Buch VIII, Kap. 11).
Dieser Rat ist sehr hilfreich. Die Mutter von drei kleinen
Kindern, die - unmöglicherweise - eine kontemplative Atmosphäre für ihr
Gebetsleben schaffen möchte, denkt nicht sehr realistisch. Noch schlimmer, sie
blüht nicht, wo sie gepflanzt ist. Der salesianische Begleiter wird ihr weniger
helfen, das Unmögliche zu erreichen, als ihr vielmehr den Wert ihrer Pflichten
und ihrer Verantwortung als Mutter und Ehefrau vor Augen zu stellen und ihr zu
versichern, dass darin der grundlegende Wille Gottes für sie besteht. Dann wird
ihr der Begleiter sagen, wie sie unter diesen Umständen beten kann, indem er
sie zum Beispiel die Gute Meinung oder die Stoßgebete lehrt.
Das zweite Kennzeichen von Eingebung (Kap. 12) ist Folgendes.
Allgemein gesagt sollen wir gewöhnliche Dinge außergewöhnlich gut tun, während
wir jede "Eingebung", etwas Außergewöhnliches zu unternehmen, prüfen
müssen. Der Mann mit bescheidenen Mitteln und vielen Schulden, der das Gefühl
hat, er müsste eine teure Pilgerreise zu einem weit entfernten Ort unternehmen
und dafür beträchtliche Mittel an Zeit und Geld aufwenden, ist wahrscheinlich
nicht Empfänger einer echten Eingebung. Die gewöhnlichen Dinge, die mit dem
Lebensstand verbunden sind, außergewöhnlich gut zu tun, ist eine Variante zum
Grundsatz "Blühe, wo du gepflanzt bist!"
Dennoch sind manche Leute von Gott berufen, etwas wirklich
Außergewöhnliches zu tun, wie uns die Geschichte der Heiligen sagt. Unter
anderem gibt uns Franz das Beispiel des hl. Simon des Säulenstehers, der durch
sein jahrelanges Leben auf der Spitze einer Säule offensichtlich "ein
Leben führte, an das niemand auf dieser Welt auch nur gedacht hätte oder das er
ohne himmlische Weisung und Hilfe unternehmen würde."
Wie können wir erkennen, ob solche Eingebungen tatsächlich von
Gott sind? Für Franz ist eines der besten Zeichen aller wahren Eingebungen,
besonders der außergewöhnlichen, "der Friede und die Ruhe des Herzens bei
denen, die sie empfangen." Jene von euch, die mit der ignatianischen
Methode der Entscheidungsfindung vertraut sind, erkennen, dass Franz hier von
den Anzeichen der Gegenwart des guten oder bösen Geistes spricht. Obwohl die
Hl. Schrift den Geist Gottes in der Weise beschreibt, dass er mit dem lauten
Getöse eines heftigen Sturmes auf die Jünger, die im Obergemach versammelt
waren, hernieder kam (Apg 2,2), sagt uns Franz von Sales, dass es eine
"freundliche, milde und friedliche" Heftigkeit war. Auf ähnliche
Weise wird jede Eingebung vom Hl. Geist mit einer "freundlichen
Heftigkeit" kommen. Jene, die unter der Eingebung eines bösen Geistes
stehen, sind im Gegenteil dazu leicht zu erkennen. "Sie sind unruhig,
eigensinnig, überheblich und lassen sich bereitwillig auf Affären ein. .... Sie
zerrütten Alles, kritisieren und weisen Jeden zurecht und finden überall
Fehler." Er fährt fort, aber seine Aussage ist klar: "An ihren
Früchten werdet ihr sie erkennen." Anzeichen wie diese werden uns erkennen
lassen, welcher Geist die Quelle der Eingebung ist, besonders der
außergewöhnlichen.
Es ist wichtig zu beachten, dass Franz bei diesen Kennzeichen der
Eingebung annimmt und es manchmal auch ausdrücklich sagt, dass der Betroffene
einen geistlichen Begleiter und vielleicht sogar mehrere aufsuchen wird.
Deshalb wird für den hl. Franz von Sales die Entscheidungsfindung immer
innerhalb eines kirchlichen oder gemeinschaftlichen Kontextes unternommen und
niemals allein. Die Notwendigkeit für die gemeinschaftliche Dimension in der
Entscheidungsfindung wird durch den bekannten Grundsatz unterstrichen:
"Wer sich selbst als geistlichen Begleiter hat, hat einen Narren als
Führer!"
Das dritte Kennzeichen von Eingebung (Kap. 13) ist Gehorsam. Wenn
derjenige, der eine Eingebung erhält, bereit ist, sich der Weisheit und der
Anleitung anderer zu unterwerfen, dann ist das ein starker Hinweis darauf, dass
der Hl. Geist die Quelle dieser Eingebung ist. Solche Belehrbarkeit weist auf
die Präsenz von Demut hin, die "untrennbar mit dem Frieden und der Freude
des Herzens verbunden ist". Nehmen wir das Beispiel des hl. Simon
Stylites. Als ihm von seinen Oberen gesagt wurde, von seinem Sitz
herunterzusteigen, begann er unmittelbar einzuwilligen. Als man seine
Bereitschaft zum Gehorsam sah, wurde ihm gesagt, dass er bleiben soll, wo er
war. Seine außergewöhnliche Eingebung wurde durch den Gehorsam geprüft und als
echt befunden.
Wenn du jemals den Dienst der geistlichen Begleitung ausgeübt
hast, dann weißt du, welche Art von Leuten Franz von Sales hier im Sinn hat.
Sie wollen wirklich nur tun, was Gott von ihnen will. Im Bewusstsein, dass wir
alle in unseren eigenen Dingen blind sind, drücken sie einfach und klar
gegenüber anderen aus, wozu sie sich inspiriert fühlen, und warten in Geduld
und Frieden auf das Ergebnis der Entscheidungsfindung. Sie legen sich nicht auf
diese oder jene Antwort fest, sondern nur darauf, was Gott von ihnen will, so
wie das durch die Antwort, die sie erhalten, zum Ausdruck kommt. Sobald ihnen
der göttliche Wille bekannt ist, nehmen sie ihn mit Freude, Begeisterung und
Dauerhaftigkeit an.
Im Kapitel 13 fasst Franz die drei Kennzeichen von Eingebung
zusammen. Die besten und sichersten Anzeichen einer "echten Eingebung
sind: Ausdauer, im Gegensatz zu Unbeständigkeit und Leichtfertigkeit; Friede
und Sanftmut des Herzens im Gegensatz zu Unruhe und Hast; demütiger Gehorsam im
Gegensatz zu Hartnäckigkeit und Launenhaftigkeit."
Eine kurze Methode zur
Erkenntnis des Willens Gottes
Franz wendet seine Aufmerksamkeit nun den konkreten Schritten der
Entscheidungsfindung zu (Abhandlung,
Buch VIII, Kap. 14). Er beginnt mit der Notwendigkeit der Demut, womit er
meint, dass Gottes Wille weit über der Kraft "des Sinnierens und
spitzfindigen Grübelns" liegt. Kein Maß an Prüfung, und sei sie noch so
spitzfindig, wird jemals imstande sein, diesen zu finden, außer Gott offenbart
ihn in Freiheit. Die Demut erkennt diese Wahrheit und betet um das Licht des
Hl. Geistes. Im Kontext von Gebet und Demut setzen wir unser Bemühungen, den
Willen Gottes zu erkennen, am Besten ein, indem wir unseren geistlichen
Begleiter aufsuchen "und vielleicht zwei oder drei andere geistliche
Personen". An einem gewissen Punkt, nachdem wir "unsere
Aufmerksamkeit entsprechend der Wichtigkeit unseres Vorhabens" bemessen haben,
gelangen wir zu einer Entscheidung. Das heißt, nach einer vernünftigen
Zeitspanne für die Entscheidungsfindung, die in einem Verhältnis steht zur
Bedeutsamkeit der Sache, um die es geht, wählen wir diese besondere
Entscheidung oder jene, abhängig davon, wohin uns die Entscheidungsfindung
geführt hat. Und wenn die Entscheidung einmal gefällt ist, müssen wir sie
vertrauensvoll ausführen und sie nicht mehr anzweifeln.
Wichtig ist dabei: wir, die nachdenken, entscheiden auch. Es wird
keinen Blitz vom Himmel und keine Stimme von oben geben. Unsere Hand wird nicht
genötigt werden und unser Wille nicht gezwungen. Wir gelangen einfach "im
Namen Gottes" zu einer Entscheidung und richten uns nach ihr. Wenn unsere
Entscheidung getroffen oder unser Vorsatz gefasst ist, dann nehmen wir das an
und handeln danach als etwas, das es wahrhaft ist, als Wille Gottes für uns.
Wir sollten nicht "unsere Wahl anzweifeln, sondern sie fromm, friedlich
und fest beibehalten und durchtragen." Wir mögen sehr wohl allen Arten von
Schwierigkeiten und Herausforderungen begegnen, wenn wir unsere Entscheidung
umsetzen. Das mag uns in Versuchung führen, daraus zu schließen, dass wir
unrichtig entschieden haben, was Gottes Wille in dieser Frage für uns ist.
Solches Denken sollte man als Versuchung ansehen. Mit den Worten der Guten
Mutter in einer anderen Frage: wir sollten die Versuchung "kurz
abschneiden". Wir müssen stark bleiben. "Wenn unser Vorsatz einmal in
heiliger Weise gefasst wurde, dann dürfen wir die Heiligkeit seiner Ausführung nicht
mehr bezweifeln." In unserem Vorsatz zu wanken und schwach zu werden auf
Grund von Schwierigkeiten und Herausforderungen, die uns in seiner Umsetzung
begegnen, ist ein "Zeichen großer Eigenliebe oder eines kindischen,
schwachen und albernen Geistes."
Was Franz hier über die Annahme des Willens Gottes schreibt,
stimmt mit dem überein, was er in der gesamten Abhandlung geschrieben hat. Wenn Gottes Wille uns einmal bekannt
ist entweder direkt durch Gebote, Räte oder Eingebungen oder indirekt durch die
Ereignisse, die uns befallen oder die Umstände, die uns umgeben; oder wenn er
sich uns durch Entscheidungsfindung offenbart hat, dann müssen wir ihn "in
Tat und Leben" ausführen und das mit Vertrauen, Begeisterung und Ausdauer
tun.
Entscheidungsfindung und
die hl. Johanna von Chantal
Zwölf Jahre, bevor er seine formale Abhandlung über die
Entscheidungsfindung in der Abhandlung
niederschrieb, hatten der hl. Franz und die hl. Johanna gemeinsam einen Prozess
der Entscheidungsfindung durchgemacht. Das Ziel ihrer Entscheidung war die
Antwort auf die Frage: Kann Johanna ihren damaligen geistlichen Begleiter, dem
sie Gehorsam versprochen hatte, verlassen, um sich selbst unter die geistliche
Leitung von Franz zu stellen? In einem Brief an sie, den er ihr kurz nach dem
Ende ihrer Entscheidungsfindung geschrieben hatte, versichert ihr Franz, dass
die Lösung, zu der sie am Ende dieses Prozesses gelangt waren, wirklich Gottes
Wille für sie beide war. Zum Glück für uns hat Franz die tatsächlichen
Schritte, die sie in diesem Prozess gegangen waren, aufgelistet. Es ist
interessant, diese Schritte mit dem zu vergleichen, was er zwölf Jahre später
in seiner Abhandlung schreibt (OEA
XII, 352-370. Brief CCXXXIV in: Franz von Sales, Johanna von Chantal,
Seelenführungsbriefe, 130-131).
Johanna fühlte eine starke Neigung, fast einen Zwang, den einen
Begleiter wegen des anderen zu verlassen. Trotzdem empfand sie auch eine
beständige Freude und Zufriedenheit. Sie überhasteten ihre Entscheidung nicht,
sondern nahmen sich die Zeit, die der Wichtigkeit der Sache angemessen war. Im
Bewusstsein, dass sie in ihren eigenen Angelegenheiten blind sein könnten,
holten sie sich bei anderen Rat, auch bei Johannas Beichtvater, einem
"guten, gebildeten und klugen Mann". Sie nahmen sich noch mehr Zeit,
tatsächlich einige Monate, um Johannas erster Begeisterung ihren Lauf zu
lassen. In dieser Zeit beteten sie ständig um die göttliche Führung. Am Ende
trafen weder Franz noch Johanna die endgültige Entscheidung. Vielmehr
konsultierten sie eine dritte Person, deren Objektivität gewiss war, jemanden,
"der keinen Grund hatte, etwas anderes als Gottes Willen zu
betrachten". Franz gesteht, dass er vor dem Beginn des Prozesses der
Entscheidungsfindung gezögert hatte, Johanna für die Begleitung anzunehmen, weil
"ich in der Entscheidung eines solchen Augenblicks weder Ihrem Wunsch noch
meiner Neigung folgen wollte, sondern nur Gott und Seiner Vorsehung." Aber
am Ende des Prozesses der Entscheidungsfindung war er von der Richtigkeit ihrer
Entscheidung überzeugt. Franz schließt, dass "all das unfehlbare Zeichen
sind, dass wir dem Willen Gottes entsprechend entschieden haben." Aus
diesem Grund, so rät er ihr, bleiben Sie jetzt stehen und setzen Sie sich nicht
weiter mit dem Feind darüber auseinander; sagen Sie ihm mutig, dass Gott es
war, der es so wollte und es auch getan hat."
Die Schritte der salesianischen Entscheidungsfindung können in
folgender Weise zusammengefasst werden: Entscheide in von Gebet begleiteter
Demut. Prüfe die Geister. Hole Rat bei anderen. Nimm dir Zeit, die der
Wichtigkeit der Entscheidung angemessen ist. Entscheide, und dann führe
vertrauensvoll die Folgerungen deiner Entscheidung in Tat und Leben aus.
Mein Kalender
Von 20. bis 27. Juni werde ich an der Versammlung der Zweiten
Föderation der Heimsuchung in den USA teilnehmen. Im Oktober werde ich an der
Versammlung der Ersten Föderation der Heimsuchung in den USA teilnehmen. Ein
gemeinsames Treffen der Höheren Oberen unserer Kongregation mit den
Missionsprokuratoren wird von 28. Juli bis 2. August 2002 in Fockenfeld
stattfinden, und der Generalrat wird sich unmittelbar nachher treffen. Ich
werde an der Weihe der Kapelle von Salespuram in Kerala am Tag der Gründer
teilnehmen und dann von Indien nach Holland reisen, um dort von 15. bis 17. Oktober
das 75-Jahr-Jubiläum der Provinz mitzufeiern. Es gibt zwar noch keine genaue
Vereinbarung, aber während der Monate September bis Dezember werde ich eine
Visitation der Französischen Provinz abhalten.
Obwohl es vielleicht bis lange nach Ostern dauern wird, bis ihr
diesen Brief in Übersetzung lesen könnt, hat während des Schreibens gerade die
Fastenzeit begonnen. Eine andere liturgische Zeit liegt vor uns, in der wir an
das Ostergeheimnis des sterbenden und auferstandenen Christus denken und es von
neuem erleben. Als ich noch ein Kind war, konnte ich mir nicht denken, warum um
die Fastenzeit und um Ostern soviel Aufhebens gemacht wurde. Schließlich hatte
Weihnachten all den wundervollen Zauber inne, den man sich nur wünschen konnte!
Trotzdem muss Ostern sicher das zentrale Fest unseres Glaubens sein. Ich
gestehe, dass sogar jetzt noch etwas von diesem Kind einen großen Teil von mir
selbst, einem Erwachsenen, der sein sechstes Lebensjahrzehnt beginnt, ausmacht.
Dennoch weiß ich und glaube fest daran, dass das Ostergeheimnis der Schlüssel
ist, der uns den Sinn jedes christlichen Festes und jedes christlichen
Geheimnisses öffnet. Der hl. Paulus hat absolut recht, wenn er sagt, dass unser
Glaube vergeblich wäre, wenn Jesus nicht von den Toten auferstanden wäre (1 Kor
15,14). Ohne die göttliche Bestätigung seiner Person und seiner Botschaft, die
durch die Auferstehung offenbar wurde, würden das Kreuz und der Tod Jesu,
wenngleich auf andere Ebene noch so kraftvoll, nicht die Dimension des
Erlösungsereignisses erreichen. Aus diesem Grund versteht unser Patron den
Kalvarienberg als die wahre Schule der Liebe (Abhandlung XII, Kap. 13). Jesus starb für uns, allein durch seine
Liebe dazu bewegt. Und durch unsere Taufe auf sein Ostergeheimnis lernen wir,
für ihn allein zu leben und für sein Volk, und wir werden dazu durch eine
ähnliche Liebe bewegt.
Mit diesen Gedanken in seinem Geist schreibt unser Patron einen
Vers, mit dem er sein Meisterwerk über die Gottesliebe abschließt: "Es lebe
Jesus, dessen Tod geoffenbart, wie stark die Liebe ist!"
In
brüderlicher Verbundenheit
durch
unseren heiligen Patron
und
unsere heiligmäßigen Gründer,
Lewis S. Fiorelli, OSFS